FernUSG: Wenn ein Urteil mehr Panik als Klarheit bringt

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: III ZR 109/24) zur Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) im B2B-Bereich herrscht in der digitalen Bildungs- und Coachingbranche große Verunsicherung. Die Kernaussage: Verträge für nicht zugelassene Fernunterrichtsangebote können nichtig sein. Viele stellen sich nun die Frage: Müssen wir jetzt rückabwickeln, Insolvenz anmelden, alles umstellen? Die Aufregung ist verständlich – aber nicht jede Sorge ist berechtigt.

Verträge, Rechte – und die Realität

Juristisch betrachtet gibt es schon lange zahlreiche Möglichkeiten, Verträge anzufechten oder rückabzuwickeln – etwa bei arglistiger Täuschung, sittenwidriger Übervorteilung oder Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht. Das FernUSG ist nur ein weiterer Mechanismus unter vielen. Entscheidend ist aber: Nicht alles, was rechtlich möglich ist, wird auch praktisch relevant. Wer zufriedene Kundinnen und Kunden hat, faire Bedingungen bietet und seriös arbeitet, wird in den seltensten Fällen rückwirkend verklagt. Denn: Wo kein Kläger, da keine Richterin.

Wer laut schreit, hat nicht automatisch recht

Sucht man nach „FernUSG“ im Netz, findet man fast ausschließlich Beiträge und Anzeigen von Anwaltskanzleien – mit Titeln wie „Coaching-Falle?“ oder „Wir holen dein Geld zurück“. Manche suggerieren, dass nahezu jeder Vertrag nun angreifbar ist. Doch diese Darstellung entspricht nicht der tatsächlichen Rechtslage, sondern eher einem Geschäftsmodell: Angst erzeugen, Mandate generieren. Wer wirklich schlecht beraten wurde, hat auch ohne FernUSG längst gesetzliche Mittel. Wer gute Leistungen verkauft, braucht keine Panik.

Die Zulassungsstelle ist überfordert

Viele Unternehmen wollen nun „alles richtig machen“ und ihre Angebote zur Zulassung bei der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) einreichen. Doch dort herrscht derzeit Stillstand: Überlastete Leitungen, gestoppte Anträge, lange Bearbeitungszeiten. Die Behörde kann die Masse an Anfragen aktuell kaum bewältigen – und lässt genau jene im Stich, die sich bemühen, rechtskonform zu handeln.

Der Brandbrief der Branche

Parallel formiert sich Widerstand. Ein offener Brief an Bundesministerin Karin Prien, der am 11. August 2025 übergeben werden soll, wird derzeit von vielen Unternehmen unterzeichnet. Der Titel ist deutlich: „Ein Gesetz aus der Schreibmaschinen-Ära gefährdet Deutschlands Innovationskraft in der Bildung“. Gefordert wird eine Reform des FernUSG, das längst nicht mehr zur digitalen Bildungsrealität passt. Die Forderungen: ein Moratorium für das bestehende Gesetz, ein modernes Zulassungsverfahren und echte Rechtssicherheit – nicht mehr Unsicherheit durch veraltete Regeln.

Fazit: Nicht einschüchtern lassen

Es gibt derzeit keinen Grund, in blinden Aktionismus zu verfallen oder den Kopf in den Sand zu stecken. Seriöse Anbieter, die gute Arbeit leisten, können mit Gelassenheit auf die aktuelle Entwicklung reagieren. Wer unsicher ist, sollte sich informieren – aber sich nicht von Suchergebnissen oder Anzeigen in Panik versetzen lassen. Es wird Zeit, dass wir in Deutschland nicht nur digital lernen, sondern auch digital regeln. Und das geht nur mit einem modernen Gesetz – nicht mit Paragrafen aus der Schreibmaschinen-Ära.


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