Zurück aus dem Home Office? Nur, wenn das Büro besser ist. Mein Kommentar bei W&V

– Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag in der W&V online am 08. Oktober 2021 –

Zurück aus dem Home Office? Nur, wenn das Büro besser ist

Was mich an dieser ganzen Home-Office-Debatte stört: Sie wird ausschließlich top-down geführt. Gesetz- und Arbeitgeber denken darüber nach, wie sie das Thema Arbeit regeln und von wo sie erledigt wird. Immer sind es übergeordnete Instanzen, immer die Denke von oben nach unten; das kann nur in schematischen und kategorischen Gesetzen und Regeln enden.

Vor allem im Agenturkontext werden die Kreativität, der Austausch, Brainstorming, Flurfunk, der Chat an der Kaffeemaschine etc. beschworen, die nur in der Begegnungsstätte Büro bzw. Agentur möglich sein sollen. Das ist sicher nicht falsch, und wir haben uns ja alle auch ganz doll vermisst. Aber auch diese Diskussion mutet irgendwie theoretisch und sogar ideologisch eingefärbt an.

Die Praxis entscheidet: Das Büro sollte immer der bessere Arbeitsort sein

Da muss ich jetzt mal allen Ernstes fragen: Haben wir Digital- und Wissensarbeiter vor lauter Zoom-Calls, Remote Work und schickem New-Work-Mobiliar vergessen, dass es hier tatsächlich um Arbeit geht? Um das 21.-Jahrhundert-Pendant von „Sich-die-Hände-schmutzig-Machen“?

Wenn jetzt, wie in Alexandra Groß‘ Beitrag „Agenturen müssen endlich ihre Leute zurückholen!“ beschrieben, die Leute nicht ins Büro zurückkehren, muss man sich doch mal fragen, warum sie denn nicht zurückkehren. Und das erfordert einen 180-Grad-Perspektivwechsel, die Sichtweise lautet bottom-up: Ausgehend von den Menschen und der eigentlichen Arbeit. Und – im Kontext des Digitalzeitalters eher altmodisch gedacht – die Praxis ist entscheidend.

Die Pandemie war wie ein großes Experiment, bei dem wir zwangsweise neue Erfahrungen sammeln mussten und durften. Im nächsten, logischen Schritt sollten wir alle aus diesen Erfahrungen lernen, und zwar empirisch! Das bedeutet, als Arbeitgeber die eigenen Leute zu fragen: „Was arbeitest du den ganzen Tag?“, „Wie arbeitest du den ganzen Tag?“ und „Wo kannst Du dies am besten ausüben?“ Wenn die Antwort dann NICHT heißt, „im Büro“, dann mache ich als Arbeitgeber doch etwas falsch – und muss etwas ändern.

Vorbild ist das Home Office

Dann muss zum Beispiel das Büro an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und der Arbeit angepasst und gegebenenfalls umgebaut werden. Alleine dadurch, dass die Geschäftsreisen nahezu vollständig durch Video-Calls ersetzt wurden, kann dann zum Beispiel bedeuten, dass im Büro viel mehr kleinere Räume benötigt werden.

Außerdem müssen diese Räume entsprechend ausgestattet sein: mit schnellem Internet, guter Akustik und top Licht. Viele Agenturen sind jedoch Großraumbüros mit nur wenigen Besprechungsräumen (die permanent aus- bzw. überbucht sind). Hier funktionieren die Calls nicht, und das ist auch nicht mit ein paar flugs bestellten Telefonzellen gelöst.

Vielmehr müssen dies Räume sein, in denen man sich gerne stundenlang aufhält – denn das Vorbild ist das gut ausgestattete Arbeitszimmer zu Hause. Und solange der Arbeitsplatz daheim besser für diesen Zweck geeignet ist, verwundert es nicht, dass ein Teil der Leute ihre Calls weiterhin bevorzugt zu Hause führt und auf die vielbeschworene Kultur sowie den Chat an der Kaffeemaschine verzichtet.

Deshalb ist es nicht richtig, jetzt einfach nur zu sagen: „Alle zurück ins Büro“. Davor sollte die Antwort der Mitarbeitenden auf die Frage: „Wo kannst Du am besten Arbeiten?“ sein: „Im Büro“.

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