Vertrauen und Verträge: Wie Trennungen das wahre Gesicht einer Beziehung enthüllen

Vertrauen – für mich ist das mehr als nur ein Wort. Es ist der zentrale Wert, nach dem ich mein Leben ausrichte, sei es in persönlichen Beziehungen, im Berufsleben oder in Freundschaften. Wer mich gut kennt, weiß genau, wie viel mir Vertrauen bedeutet und wie sehr es mich verletzt, wenn dieses Vertrauen missbraucht oder gar gebrochen wird. Diese Verletzungen hinterlassen tiefe Wunden, die oft nicht so schnell heilen.

Aber damit bin ich nicht allein. Vertrauen ist ein fundamentaler Wert, den viele von uns in persönlichen und beruflichen Beziehungen hochhalten. Es ist die Basis, auf der wir unsere Partnerschaften, Freundschaften und geschäftlichen Verbindungen aufbauen. Doch was passiert, wenn dieses Vertrauen auf die Probe gestellt wird? Wenn Beziehungen enden und es plötzlich um das geht, was schriftlich festgehalten wurde oder eben nicht? Genau in diesen Momenten zeigt sich oft das wahre Gesicht einer Beziehung.

Der Konflikt zwischen Vertrauen und Absicherung

In meinem Umfeld, sei es im Freundes- oder Familienkreis oder auch im geschäftlichen Kontext, sehe ich immer wieder, wie sehr Vertrauen erschüttert werden kann. Man verlässt sich auf das gesprochene Wort, auf Abmachungen, die oft nur mündlich getroffen wurden, oder auf den Händedruck, der das Vertrauen besiegeln sollte. Doch leider zeigt das Leben immer wieder, dass das nicht ausreicht. Trennungen bringen häufig Überraschungen mit sich, und plötzlich zählen nur noch die Fakten – und das, was auf Papier festgehalten wurde.

Eine besonders bittere Erkenntnis wurde mir in einer Therapiesitzung mit meinem großartigen Therapeuten Malte klar. Er sagte mir direkt, dass ich durch meine Erfahrungen bedauerlicherweise keinem Menschen mehr vollständig vertrauen könne. Diese Einsicht war schmerzhaft, aber sie spiegelte eine Wahrheit wider, die ich bis dahin nicht anerkennen wollte. Es hat mich in einen inneren Konflikt gestürzt, der mich bis heute begleitet.

Der innere Konflikt: Vertrauen versus Vorsicht

Dieser Konflikt ist tief in mir verankert. Einerseits möchte ich an das Gute im Menschen glauben, daran, dass wir uns aufeinander verlassen und dass Abmachungen auch ohne schriftliche Festlegung eingehalten werden. Ich wünsche mir, dass wir uns in unseren Beziehungen – sei es persönlich oder geschäftlich – gegenseitig fair behandeln, besonders wenn es zu einer Trennung kommt. Ich hoffe darauf, dass niemand das Vertrauen des anderen missbraucht und dass man sich auch in schwierigen Zeiten an das hält, was abgemacht wurde, ob ausgesprochen oder unausgesprochen.

Andererseits haben mich meine Erfahrungen gelehrt, dass dies oft nur Wunschdenken ist. Auch in meinem Umfeld bei der Entrepreneurs‘ Organization (EO) habe ich unzählige Geschichten von Unternehmerinnen und Unternehmern gehört, die genau dieses Vertrauen verloren haben. Sie sind in rechtliche Auseinandersetzungen mit Mitgründerinnen und Mitgründern verwickelt, die einst Freundschaften oder enge Geschäftspartnerschaften waren. Es ist traurig, aber in vielen Fällen entpuppen sich die Menschen erst bei einer Trennung als diejenigen, die auf ihrem Recht bestehen und keine Rücksicht auf frühere mündliche Vereinbarungen nehmen.

Die Illusion des Vertrauens

Ich erinnere mich an eine persönliche Erfahrung, die mir die Augen für die Unterschiede zwischen gesprochenem Wort und schriftlichem Vertrag geöffnet hat. Ein Freund von mir hatte einen Mietvertrag für eine kleine Gewerbeeinheit unterschrieben. Bei der Besichtigung war alles harmonisch: Der Vermieter schien verständnisvoll, es gab viele Gespräche über die zukünftige Zusammenarbeit und die gemeinsame Vision für den Raum. Kleine Mängel wurden mündlich abgemacht: „Kein Problem, das machen wir schon“, hieß es. Doch als mein Freund nach einigen Monaten beschloss, das Mietverhältnis zu beenden, zeigte sich ein ganz anderes Bild. Plötzlich war von den mündlichen Absprachen keine Rede mehr, und der Vertrag, den er zu Beginn ohne viel Nachdenken unterschrieben hatte, wurde als Druckmittel benutzt. Er war auf einmal allein mit seinen Erwartungen und hatte nichts in der Hand, um die mündlich besprochenen Vereinbarungen einzufordern.

Das wahre Gesicht bei der Trennung

Die traurige Wahrheit ist, dass die meisten von uns nicht wissen, mit wem wir es wirklich zu tun haben, bis wir uns trennen. Dies gilt für Ehen genauso wie für Geschäftsbeziehungen. Oftmals handeln wir großzügiger und vertrauensvoller, als es der Vertrag verlangt, weil wir an das Gute im Menschen glauben oder uns einfach auf die Beziehung verlassen. Doch wenn eine Trennung ansteht, wird oft schnell klar, dass das geschriebene Wort zählt – und nicht das gesprochene.

Eine Freundin von mir durchlief eine sehr bittere Scheidung. Jahre zuvor hatten sie und ihr Partner sich entschieden, keinen Ehevertrag zu machen, „weil wir uns doch lieben und uns immer einigen werden“. Doch als die Beziehung zerbrach, war es vorbei mit der Einigung. Die gesetzlichen Regelungen traten in Kraft, und das, was einst eine liebevolle Partnerschaft war, endete in einem erbitterten Streit um Vermögen und Unterhalt. Und dann kommen sie, die guten Ratschläge aus dem Freundes- und Familienkreis: „Hättet ihr doch nur einen Ehevertrag gemacht!“, wobei diese oft auch schon vorher kommen, nur dann wollen wir nichts davon wissen.

Verträge als Mittel zur Fairness?

Was mich immer wieder beeindruckt und gleichzeitig enttäuscht, ist, wie oft ich sehe, dass Menschen bei einer Trennung mehr auf ihre Rechte pochen, als nach einer fairen und einvernehmlichen Lösung zu suchen. Es scheint fast so, als würde der Mensch erst in schwierigen Zeiten sein wahres Gesicht zeigen. Diese Erlebnisse haben mich gelehrt, wie wichtig es ist, klare Vereinbarungen zu treffen, bevor man eine tiefere Beziehung oder Partnerschaft eingeht. Ein Vertrag ist nicht nur ein rechtliches Dokument, sondern auch eine Form des Schutzes für alle Beteiligten.

Verträge können die Fairness einer Trennung gewährleisten und dazu beitragen, dass keiner der Parteien benachteiligt wird. Sie bieten eine Möglichkeit, Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden, indem sie die Erwartungen und Verpflichtungen beider Seiten klar definieren. Das bedeutet nicht, dass man das Vertrauen verliert, sondern dass man Verantwortung übernimmt und proaktiv handelt, um sich und den anderen zu schützen.

Der Wunsch nach einem besseren Weg

Trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen bleibe ich innerlich zerrissen. Ich wünsche mir eine Welt, in der wir einander wieder mehr vertrauen können – in der wir uns darauf verlassen können, dass Abmachungen und Vereinbarungen auch ohne schriftliche Fixierung eingehalten werden. Ich hoffe auf eine Realität, in der Fairness und Respekt im Vordergrund stehen und nicht das sture Beharren auf schriftlich festgehaltenen Rechten. Diese Hoffnung steht jedoch im Widerspruch zu der Erkenntnis, die ich in meiner Therapie mit Malte gewonnen habe: dass Vertrauen allein oft nicht ausreicht und wir manchmal mehr Schutz benötigen, als uns lieb ist.

Fazit: Vertrauen und Verträge in Balance halten

Der innere Konflikt zwischen dem Wunsch nach Vertrauen und der Notwendigkeit von Verträgen ist schwer zu lösen. Vielleicht liegt die Lösung darin, beides in Balance zu halten: Vertrauen zu schenken, wo es möglich ist, und gleichzeitig kluge Vorkehrungen zu treffen, die alle Beteiligten schützen. Es geht nicht darum, die Welt mit Misstrauen zu betrachten, sondern darum, realistisch zu sein und die Erfahrungen, die wir gemacht haben, anzuerkennen.

Ein guter Vertrag ist keine Absage an das Vertrauen, sondern eine Ergänzung dazu. Er sorgt dafür, dass wir uns auch dann fair behandeln, wenn es schwierig wird. Denn am Ende zeigt sich das wahre Gesicht einer Beziehung oft erst in der Trennung – und darauf sollten wir vorbereitet sein, ohne dabei den Glauben an das Gute zu verlieren.


Beitrag veröffentlicht

von

Zeitraum vom